Emil Brunner, der bekannte Zürcher Theologe, wäre heute – kurz vor Weihnachten –  130 Jahre alt geworden.1 Was hätte er sich wohl zum Geburtstag gewünscht?

Weltfrieden. 🙂 Damit liegt man nie falsch (Miss Undercover lässt grüssen) und wäre wohl auch auf seinem Wunschzettel gestanden. Aber ich glaube, da gibt es noch Konkreteres…

Wahrheit als Begegnung.2 Was im ersten Moment etwas abstrakt klingt, war für Emil Brunner das pure Gegenteil von Abstrakt. Im Herzen seiner Theologie war keine Lehre und kein Dogma, kein System oder Schema, sondern eine Person: Jesus Christus. Alles andere – so wichtig es auch sein mag – ist nur Beigemüse zur existentiellen, lebensverändernden Begegnung mit dem Gott, der Mensch wurde. Diese Begegnung, diese Beziehung prägte seine Theologie von den Haarwurzeln bis zu den Fussnägeln. Emil Brunner würde sich zum Geburtstag wünschen, dass das wieder neu entdeckt würde. Besser noch: dass ER wieder neu entdeckt würde. Er würde sich wünschen, dass diese simple Wahrheit nicht nur bei Sonntagsschulkindern präsent wäre, sondern das Ganze der Theologie durchdringen würde, weil die Theologen selbst in dieser Beziehung vom Auferstandenen ergriffen sind.3

Eine „missionale“ Theologie. Für Brunner war das noch kein Modewort, sondern eine logische Auswirkung der Wahrheit als Begegnung.4 Interessanterweise kommen einige seiner berühmtesten Zitate zu dieser Thematik nur aus seiner englischsprachigen Schreibtätigkeit:

Mission work does not arise from any arrogance in the Christian Church; mission is its cause and its, life. The Church exists by mission, just as a fire exists by burning. Where there is no mission, there is no Church; and where there is neither Church nor mission, there is no faith.5

Brunner rief der nachfolgenden Generation von Theologen zu, dass er ihnen nur zwei Worte hinterlasse: Missionary Theology.6 Damit meint er eine Theologie, die nicht im Elfenbeinturm geschieht, sondern die Empfänger ernst nimmt, Anknüpfungspunkte sucht, sich sogar in gewissem Sinn anpasst;7 wie sich auch Gott selbst uns Menschen angepasst hat, damit wir überhaupt fassen können, was er für uns möchte. Deshalb feiern wir ja Weihnachten. Emil Brunner würde sich zum Geburtstag wünschen, dass die Kirche wieder neu bei den Menschen ist – nicht um jeden Preis, sondern mit einem klaren Zentrum: Jesus Christus. Er würde sich wünschen, dass die Theologen nicht nur dicke Bücher schreiben würden, die nur andere Theologen interessieren, sondern so schreiben, dass die Menschen auf der Strasse wieder etwas damit anfangen können. Er würde sich aber auch wünschen, dass die „Mission“ und „Evangelisation“ wieder auf eine biblisch-theologisch fundierte Grundlage gestellt wird und Theorie und Praxis nicht gegen einander ausgespielt wird.

Ein Basler-Läckerli von Karl Barth. Emil hätte sich wohl auch gewüscht, dass Barth ihm ein Versöhnungs-Läckerli vorbei gebracht hätte mit den Worten: „Lueg emol Emil, du hesch doch rächt gha!“. Na ja, das wäre wohl etwas zu viel verlangt gewesen, obwohl er es sich zum Geburtstag und Weihnachten zusammen hätte wünschen können. Aber, das mit der Versöhnung kam ja irgendwie doch noch – wenn auch etwas spät (mehr dazu in diesem Artikel).

In diesem Sinn wünsche ich allen frohe Weihnachten, eine Begegnung mit dem Auferstandenen, viele gute Begegnungen mit Menschen, die mit dieser Hoffnung noch nichts anfangen können, viele Versöhnungs-Läckerli (oder Brunsli, Zimtsternen, was auch immer…) und natürlich nicht zuletzt – Weltfrieden. Irgendwie hängt der ja mit den anderen Wünschen zusammen…!

Footnotes

  1. Am 6. April 1966 ist er gestorben
  2. Emil Brunner, Wahrheit als Begegnung. 2nd edn. Zürich: Zwingli-Verl., 1963.
  3. Emil Brunner, ‘Toward a Missionary Theology’, The Christian Century 66, no. 27 (1949): 816– 18, 817.
    Diesen Artikel stelle ich hier zum Download.
  4. InteressanterArtikel dazu: https://www.thomasschirrmacher.info/blog/emil-brunner-pro-mission-1931/
  5. Emil Brunner, The Word and the World, 2nd edn (London: Student Christian Movement Press, 1932), 108.
  6. Emil Brunner, ‘Toward a Missionary Theology’, The Christian Century 66, no. 27 (1949): 816– 18, 817.
  7. Dies war einer der Hauptkritikpunkte von Barth.

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