Diesen Artikel habe ich vor einigen Jahren als Kolumne in der Zeitschrift „Forum Jugend“ geschrieben, wo ich mal Chefredaktr war…
Oh Schreck, oh Graus! Dieser Titel kann ja den stärksten Christen umhauen. Diese postmoderne Relativierung ist doch wirklich etwas, das sich zu bekämpfen lohnt! „Sehr gut, gib es uns! Gib es diesen Ungläubigen in deiner Kolumne und sprich die Wahrheit, Bruder!“
Uups… vielleicht muss ich den wohlmeinenden, auf Absolutes pochenden Christenmenschen leider enttäuschen. Ich meine diesen Titel wirklich ernst. Ich habe ihn bewusst gewählt und zwar positiv und nicht negativ. Alles ist relativ! Das ist meine tiefste Überzeugung! Alles ist relativ, alles ist relativ, RELATIV…! – und tut es schon in deinen Ohren weh? Aber bevor du dieses Magazin wütend in eine Ecke pfefferst und dich weigerst auch nur eine Seite dieser blasphemischen Brutstätte weiter zu lesen, bitte ich dich noch etwas auszuharren. Nein, es tut mir leid, ich werde meine Aussage jetzt nicht relativieren. Die stimmt so, absolut!
Wahrheit – das ist das Thema dieser Ausgabe. Wahrheit ist relativ! Ich behaupte, dass das stimmt. Aber vielleicht müssen wir mal das Wörtchen relativ etwas genauer betrachten. Das Wörterbuch sagt: „Relativität (lat. relativ: rückbezüglich) bedeutet, dass ein Objekt durch ein anderes bedingt und vermittelt wird, nur in Beziehung zu diesem existiert bzw. Gültigkeit besitzt. Der Gegensatz zum Relativem besteht im Absoluten.“
Relativ heisst, dass etwas nur in Beziehung zu etwas anderem existieren kann. Das ist meine tiefste Überzeugung. Alles ist relativ, weil alles Leben, alles sein auf dieser Welt letztlich nur durch Gott existieren kann. Wirkliches Leben findet nur in der Beziehung zu Gott statt. Von dieser Beziehung hängt alles andere ab.
Wir Christen reden aber die ganze Zeit von der absoluten Wahrheit. Absolut ist jedoch Gott allein: „Absolutes (lat. absolutus: losgelöst) bezeichnet etwas, das in seiner Existenz, in seiner Wahrheit u.a. durch nichts anderes bedingt oder vermittelt ist, sondern total unabhängig und damit unbegrenzte, uneingeschränkte Existenz bzw. Gültigkeit besitzt. Der Gegensatz zum Absoluten ist das Relative.“
Wow! Was für eine Definition! Und wir werfen leichtfertig um uns und erklären alles Mögliche zur absoluten Wahrheit. Kein Sex vor der Ehe ist absolut! Ein Christ kifft nicht ist absolut! Ein Christ soll den Zehnten geben ist absolut! Versteh mich bitte richtig, ich glaube, dass das alles stimmt und seine Berechtigung hat. Das Problem ist, dass wir diesen Fragen einen Stellenwert zugestehen und sie behandeln als wären sie Gott selbst. Dagegen wehre ich mich! Gott allein ist absolut – alles andere ist relativ zu ihm! Ja, es kommt noch dicker: Gott selbst ist – in der Dreieinigkeit – relativ. Gott selbst ist in sich Beziehung!
Und da kommt mir noch eine andere Dimension in den Sinn. Wir sind ja nicht nur in Relation zu Gott (Beziehung), sondern auch zu den Menschen um uns herum. Es gibt da noch andere Mitglieder in der Familie Gottes. Und Gott selber hat es gefallen uns auch voneinander abhängig zu machen. Diese Tatsache hat krasse Auswirkungen… Das bedeutet, dass ich allein nicht reiche. Das bedeutet, dass das Dreamteam „Gott und ich“ nicht genügt. Das bedeutet, dass ich den Absoluten nur gemeinsam mit den anderen erkennen kann und so der Wahrheit näher komme. Meine Vorstellungen, mein Wissen, meine Überzeugungen sind nur ein Teil des Ganzen – relativ!
Mein Fazit aus diesen Überlegungen lautet also: Passen wir auf, dass wir nicht zu „Fundis“ werden, die das als Schimpfnamen verdienen, weil unser Fundament nicht Gott, sondern irgendwelche Wahrheiten sind, die man absolut gesetzt und zum Gott erklärt hat. Das alles natürlich ganz unabhängig, „für sich“ – oh wie postmodern! Wenn Christ-Sein nicht auf dreidimensionalen Beziehungen beruht und sich davon abhängig macht, dann ist alles was wir haben tote Religion.
Du kannst mich jetzt als weltlichen, postmodern-verseuchten Ketzer abstempeln. Das ist mir egal! Ich jedenfalls halte daran fest, dass alles relativ ist. Das stimmt für mich… ja, mehr noch, ich glaube diese Wahrheit ist absolut und für alle gültig! 😉 *grins*
boah…. Sprachlos. Sogar ich als latein-schüler wäre nicht darauf gekommen, das von uns allzuverrelativierte wörtchen „relativ“ genauer zu übersetzen. Die ersten paar Zeilen dachte ich, dass ich mich in dir getäusch habe 😉 aber du hast eine Erklärung geliefert, die auch für mich mehr als nur stimmen könnte, würde ich mich ein wenig mehr damit auseinander setzen. Und vor allem beeindruckt mich, dass hier jemand eine Meinung hat, von der er überzeugt ist, und die auch voll und ganz „verhebet“. Aber achtung: Den letzte Satz kann man missverstehen 😉
Danke für die Blumen. Habe beim letzten Satz noch einen Zwinker-Smiley 😉 gesetzt – denn so ist das auch gemeint… (dachte, das sei klar…)
Alles ist relativ. Auch Gott. Ohne unsere Fantasie existiert er nicht.
Interessante Ansicht, Sary. Mich würde interessieren, wie du zu dieser Aussage kommst, dass Gott ohne unsere Fantasie nicht existiert…? So eine Aussage ist ja im Sinne dieses Artikels auch relativ – das heisst, sie steht in irgendeinem Zusammenhang zum Beispiel zu deiner persönlichen Geschichte, Erlebnissen, Erfahrungen, Personen.
Deshalb finde ich die Frage spannend, was dich zu dieser Aussage veranlasst?!